Gedanken zu Diksa und Sadhana - Nitai-Bhakti

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Gedanken zu Diksa und Sadhana

Einweihung (Diksha)

Gleich zu Beginn kann man festzuhalten:

  • Einweihung hat nichts mit formellen Ritualen zu tun.
  • Einweihung ist ein geistiger Vorgang, in dem man ein geistiges Prinzip oder die Essenz einer geistigen Lehre in sich aufnimmt oder sich mit ihr verbindet.
  • Das formelle Einweihungsritual (meist mit Feuerzeremonie) soll inspirieren, diese geistige Verbindung zu vertiefen. Sie darf und soll niemals etwas Bedrückendes hervorrufen oder etwas Zwingendes sein.
  • Begleitende Gelübde, wie sie in einzelnen, aber nicht in allen Vaishnava-Strömungen vorkommen, sollten nur dann abgelegt werden, wenn man sich über deren Tragweite bewusst ist, und wenn man diesen Gelübden aus einem inneren Bedürfnis folgen will und aus der Erfahrung der Praxis weiss, dass man diesen leicht folgen kann.
  • Du hast Zeit und den freien Willen. Es sollte nichts geben, das dich zur Einweihung zwingt. Z.B. liess sich Srila Bhativedanta Swami Prabhupada zwölf Jahre Zeit, bis er seinen Lehrer um Einweihung (Diksha) bat.
  • Das spirituelle Ziel ist Liebe zu Gott (prema). Zwanghafte Situationen oder Umstände wären hierzu lediglich ein Hindernis, denn Liebe basiert auf völliger Freiheit des Willens, Verstandes und vor allem des Herzens, wie es Srila Bhaktivinoda Thakura im "The Bhagavat" formuliert.
  • Der heilige Name ist frei und unabhängig, insbesondere unabhängig von institutionellen Bindungen oder Verpflichtungen!

Shri Gauranga Mahaprabhu sagt (zu finden im Caitanya-caritamrta):
"Man braucht sich nicht der Einweihung (diksa) zu unterziehen oder die Tätigkeiten auszuführen, die vor der Einweihung nötig sind. Man muss einfach den heiligen Namen mit der Zunge erklingen lassen. Auf diese Weise kann selbst ein Mensch aus der niedrigsten Klasse [candala] befreit werden."
(2.15.108)
"Der heilige Name hängt nicht von Einweihung [na diksam], frommen Tätigkeiten oder der regulierenden purascarya-Prinzipien ab, die im allgemeinen vor der Einweihung eingehalten werden. Der heilige Name wartet nicht auf all diese Tätigkeiten. Er ist nicht auf fremde Hilfe angewiesen."
(2.15.110)

Shrila Bhaktivedanta Swami Prabhupada schreibt:
"Ob ein Vaishnava ordnungsgemäss eingeweiht ist oder nicht, ist belanglos. Man kann eingeweiht sein und trotzdem von der Mayavada-Philosophie verseucht sein, wohingegen ein Mensch, der den heiligen Namen des Herrn vergehenlos chantet, dieser Verunreinigung nicht erliegen wird. Ein vorschriftsmässig eingeweihter Vaishnava ist vielleicht unvollkommen, aber einer, der den heiligen Namen des Herrn ohne Vergehen chantet, ist in jeder Hinsicht vollkommen. Obwohl er offensichtlich ein Neuling sein mag, muss er trotzdem als reiner, unverfälschter Vaishnava angesehen werden."
(Erl. zu Cc 2.15.111)

Ob man den heiligen Namen ohne Vergehen chantet, ist ganz offensichtlich unabhängig von Diksa, der formellen Einweihung. Das Ritual der Einweihung schützt nicht automatisch vor Vergehen und der Verunreinigung der Mayavada-Lehre.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt also im richtigen Verständnis, das heisst im korrekten Verstehen der Unterweisung (Shiksha) eines Vaishnava und dem vergehenlosen Chanten des heiligen Namens.

Wenn wir obige Aussagen von Shri Gauranga und Shrila Prabhupada studieren, erkennen wir ebenfalls augenblicklich die Bedeutsamkeit des Chantens von Nitais und Gaurangas Namen. Gauranga selbst beachtet keine Aparadhas, auch nicht gegen sich selbst, ausser Vaishnava-Aparadha, wie die Geschichte von Jagai und Madhai deutlich zeigt. Nitai hingegen beachtet nicht einmal Vaishnava-Aparadha. Sein Herz ist dermassen von Liebe zu Gaura überwältigt, dass er diese Liebe nicht zurückhalten kann und unterscheidungslos an alle verteilt. Das Chanten von Nitais Namen ist folglich für alle, die noch Vergehen begehen, voller Anarthas sind und noch Wünsche nach materiellem Sinnesgenuss hegen, die einzige risikofreie, spirituelle Beschäftigung. So wird das Herz sehr schnell von allen Vergehen befreit, damit man ebenfalls das Hare Krishna Maha-mantra vergehenlos chanten kann.

"Das Lebewesen kann die Gegenwart der Überseele (Krishna als Paramatma, der innere Lenker und Ratgeber) nicht direkt erfahren. So erscheint Shri Krishna in der Gestalt des Siksa-guru, als der höchste Geweihte des Herrn (mahanta)."
(Cc1.1.58)
"Man sollte wissen, daß der anweisende geistige Meister (siksa-guru) eine Manifestation Shri Krishnas ist. Shri Krishna offenbart sich als die Überseele (paramatma) und als der beste Geweihte des Herrn (bhakta-srestha)."
(Cc 1.1.47)
"Die Sonne und der Mond vertreiben die Dunkelheit der Welt und enthüllen so materielle Dinge wie Töpfe usw. Aber diese beiden Brüder (Gauranga und Nitai) nehmen die Dunkelheit aus dem Herzen und helfen uns so, den beiden Arten von 'Bhagavatas' zu begegnen. Einer der Bhagavatas ist die bedeutende Schrift Bhagavatam, und der andere ist der reine (Prema-) Bhakta, der die Rasas (Wohlgeschmäcker) liebender Hingabe empfängt und kostet. Durch diese beiden Bhagavatas gibt der Herr die Bhakti-rasas (die ekstatischen Empfindungen der Liebe zu Gott) in das Herz seines Geweihten. Und so wird der Herr durch die reine Liebe im Herzen des Bhakta beherrscht." (Cc 1.1.97-100)

Auf den ersten Blick scheinen die ersten Verse mit diesen hier im Widerspruch zu stehen. Dieser Widerspruch löst sich aber rasch auf, wenn wir diese Verse mit Hilfe der Vaishnava-Philosophie etwas näher betrachten:
Durch geeignete Unterweisung (siksa) entwickeln wir ein wenig Vertrauen in den Vorgang des Chantens der heiligen Namen. Sobald wir in unserem Herzen und Verstand die Unterweisung (siksa) eines Vaishnava annehmen, akzeptieren wir diese Person dadurch automatisch als Guru (Lehrer), genau genommen als Shiksha-guru, als unterweisenden Lehrer.
Kein Mensch kommt darum herum, verschiedene Lehrer anzunehmen. Angefangen bei den Eltern bis hin zu den Universitätsprofessoren akzeptiert jeder Mensch ganz automatisch immer wieder verschiedene Formen von Lehrern (gurus). Und wer sich auf den langen Weg zum Herzen macht, wird ebenfalls ganz natürlich seine Gurus finden und von ihnen lernen. Wenn man über Krishna, den höchsten Herrn lernen möchte und wissen will, wie man seine Liebe zu ihm entwickeln kann, braucht man ebenfalls entsprechende Unterweisung. Diese Unterweisung kommt vom siksa-guru, der im besten Falle ein prema-bhakta ist, jemand, der die ekstatischen Empfindungen (bhakti-rasas) im Herzen geniesst.

Diksa, die formelle Einweihung in das Chanten des heiligen Namens, empfängt man daher idealerweise von einem Prema-bhakta. Jedoch ist der Effekt und der Segen des Chantens der heiligen Namen Gottes nicht von Diksa abhängig, sondern von der geeigneten Siksa, die uns überhaupt erst zu dem Punkt führt, wo der Wunsch im Herzen erwacht, die Liebe zu Gott durch das vergehenlose Chanten seiner heiligen Namen zu entfachen.
Daher besteht im Sinne der Schriften und alten Lehrer kein Grund, sich unüberlegt in die Diksa zu stürzen, im falschen Glauben, ohne Diksha könne man keinen Fortschritt machen. Denn das, was das spirituelle Leben entfacht, belebt und nährt, empfängt man bereits durch die Siksa, die spirituelle Unterweisung, gemeinsam mit dem vergehenlosen Chanten der heiligen Namen.

So kommt der Gottsucher einerseits nicht darum herum, Lehrer anzunehmen, was durch das Akzeptieren ihrer Unterweisung (siksa) automatisch geschieht (und dessen darf man sich ruhig bewusst sein), aber andererseits ist das Gelernte – in erster Linie das vergehenlose Chanten der heiligen Namen Gottes – und die praktische Entwicklung der Liebe zu Gott nicht von einer formellen Einweihung (diksa) abhängig.
Das höchste Geschenk Gottes an die Lebewesen ist die Freiheit, und nur auf der Grundlage dieser genutzten Freiheit, kann sich wirkliche Liebe zu Gott entfalten und endlos anwachsen.


Weitere Gedanken:
Die formelle Einweihung in den heiligen Namen sollte von nichts anderem abhängig sein, als dem Wunsch, über die heiligen Namen zu meditieren, um seine Liebe zu Gott zu erwecken.
Keinen weiteren beigefügten Gelübden sollte die Kraft gegeben werden, die Aufmerksamkeit vom heiligen Namen abzulenken.
Shrila Prabhupada schreibt (Cc 3.3.259; Erl.), Haridasa Thakur hätte Mayadevi vorschriftsmässig eingeweiht, indem er sie lediglich dazu aufforderte, den Hare-Krishna-Maha-mantra zu chanten. Keine weiteren Gelübde waren notwendig, um seinen Segen zu erhalten.

Ich weiss durch Beobachtung sowie eigene Erfahrung, dass westliche Menschen sich mit Einweihungsgelübden sehr schnell selbst unter einen ungesunden psychischen Druck stellen, und wenn sie eines Tages plötzlich bemerken, dass sie sich mehr zugetraut haben, als sie wirklich zu leisten vermögen, Gefahr laufen, in Depressions-ähnliche Zustände zu verfallen, vermischt mit Angst (das Gelübde zu brechen) oder extremen Schuldgefühlen (weil das Gelübde gebrochen wurde).

Als Shrila Prabhupada seinen Guru traf, liess er sich danach noch 12 Jahre Zeit seinen Lehrer nach Diksa, der formellen Einweihung, zu fragen. Es gibt keinen Grund, sich durch übereiltes Handeln die Freude am Chanten von Nitais, Gaurangas und Radha-Krishnas Namen zu nehmen. Wichtig ist ein klares Verständnis der Lehre, nicht die formelle Einweihung.

Shrila Rupa Gosvami lehrt, dass es bei der Verbreitung der Krishna-Bhakti am wichtigsten ist, dass das Verständnis und das Herz der Neulinge oder Anfänger von Gedanken und Gefühlen für Shri Krishna erfüllt wird. Die Regeln und Regulierungen würden dann allmählich und natürlich verstanden und eingeführt.

Shrila Prabhupada schreibt: "Man sollte nicht regulierende Prinzipien befolgen, ohne dass diese positive Auswirkungen zeitigen."

Die Essenz des hingebungsvollen Dienstes, Liebe zu Gott, muss im Vordergrund stehen, nicht die begleitenden Hilfsmittel. Gleichzeitig sollte man auch nicht leichtsinnig alle Regeln über Bord werfen, nur um ein ausschweifendes Leben zu führen. Die Kunst besteht darin, ganz entsprechend Zeit, Ort, Umständen und der individuellen Person, jene Regeln anzunehmen, die ohne grosse Schwierigkeiten befolgt werden können und die helfen, die praktische Ausübung des hingebungsvollen Dienstes zu fördern.

Wer immer ein Interesse hat, sich in die Nitai-Gauranga Mantras oder in den Hare Krishna Mahamantra einweihen zu lassen, sollte so offen und frei sein, mit dem gewählten Guru über die begleitenden Gelübde zu sprechen. Denn das, was auf den ersten Blick und im ersten Enthusiasmus einfach erscheint, kann auf Dauer zu einem Problem werden, das einen psychischen Druck und somit eine unnötige Ablenkung vom heiligen Namen erzeugt. Oder noch schlimmer: Angst und Schuldgefühle werden unmittelbar mit dem heiligen Namen in Verbindung gebracht.
Wie könnte so die Anziehung und Liebe zu Gott erwachen und wachsen? Daher sollte der Entschluss zur Einweihung und damit verknüpfte Gelübde immer mit Herz und Verstand erfolgen, damit der heilige Name unter allen Umständen ein Ort der Zuflucht und des Schutzes bleiben kann.

Dasselbe gilt für alle Regeln des Sadhana, die nur dazu dienen, spontane Anziehung zum Herrn zu erwecken.
Lord Shiva beschreibt seiner Ehefrau Parvati im zweiten Teil der Shri Ananta-Samhita, im 2. Kapitel namens Caitanya-janma-khanda, unter anderem folgendes:

"Der Mensch, der wie eine transzendente Honigbiene den ambrosischen Nektar (makaranda) geniesst, der von den göttlichen Lotosfüssen Shri Gauranga Mahaprabhus ausströmt, wird ganz sicherlich und ohne jeden Zweifel das göttliche Paar Shri Shri Radha-Krishna erlangen, selbst wenn er keine sadhana-bhakti Tätigkeiten ausführt." 1

Wie viel mehr trifft dies noch auf Nitai zu, der im ständigen Rausch der Liebe zu Gauranga (Radha-Krishna) unterscheidungslos seine überschäumende Liebe (Prema) an alle verteilen möchte!

1 Die ganze Beschreibung - inklusiv der Sanskrit-Transliteration - findest du auf der Frontseite von Gauranga-Prema.ch

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